DE03: K. & T. Goebel, S. Kunkel

Kathrin Goebel, Thomas Goebel, Silke Kunkel

Auf dem Demeter-Betrieb Hofgut Oberfeld arbeiten heute wieder ungefähr so viele Menschen wie vor hundert Jahren – und darauf ist der Betrieb stolz. Das Hofgut Oberfeld und seine Menschen sind der Überzeugung, dass richtig gute Lebensmittel nicht entstehen, indem man Arbeit „spart“ – sondern indem man sie an der richtigen Stelle einsetzt und dabei die Bedürfnisse anderer Menschen erfüllt.

Ursprünglich war das Hofgut eine hessische Staatsdomäne, die 2006 von einer Bürgerinitiative übernommen wurde. Die Initiative Domäne Oberfeld e.V. war die Keimzelle des Projekts. Sie wurde als Bürgerinitiative 2003 gegründet zur Erhaltung und Umstellung des Hofgut Oberfeld. Der Verein ist heute ein Forum für Förderer und Aktive und arbeitet eng mit der Hofgemeinschaft zusammen. Mit der Unterstützung einer in Darmstadt ansässigen Stiftung konnte die eigens gegründete Stiftung Hofgut Oberfeld die Hofstelle kaufen und die Flächen pachten. Aus der Bürgerinitiative entstand für die Landwirtschaft außerdem ein Bürgerunternehmen, welches inzwischen 176 Aktionäre zählt, größtenteils Bürgerinnen und Bürger aus Darmstadt, die mittlerweile rund 1,8 Million Euro Kapital eingebracht haben. Die Hofgut Oberfeld Landwirtschaft AG (HOLAG) hat Teile der Hofstelle in Erbpacht und die landwirtschaftlichen Flächen in Unterpacht übernommen. Auf den Erbpachtgrundstücken wurden von der HOLAG ein Kuhstall mit Milchverarbeitung und Heubergehalle, eine Backstube und der Hofladen gebaut.

Die HOLAG ist eine kleine Aktiengesellschaft, mit einem sechsköpfigen Aufsichtsrat. In dieser für den Ökolandbau bisher seltenen Organisationsform arbeiten die vom Aufsichtsrat eingesetzten drei Vorstände Kathrin Goebel, Thomas Goebel und Silke Kunkel mit rund 60 MitarbeiterInnen sehr erfolgreich.

1. PERSÖNLICHE DATEN DES LANDWIRTS

Name: Kathrin Goebel, Thomas Goebel, Silke Kunkel.

Geburtsjahr: 1974 / 1972 / 1972.

Geschlecht: Weiblich/ Männlich/ Weiblich.

Bildung: Kathrin Goebel Landwirtin und Tierärztin, Thomas Goebel Landwirt Dipl.Agrar / Silke Kunkel Orthoptistin und Dipl. Herb. Med.).

Beruf: Vollzeit-Landwirt und Vollzeit-Landwirtin. Vollzeit-Unternehmer und Vollzeit-Unternehmerin.

2. BETRIEBSDATEN

Betriebsstandort: Hofgut Oberfeld Landwirtschaft AG, Erbacher Straße 125, 64287 Darmstadt.

Betriebsfläche in ha: 161 ha.

Betriebsbeschreibung: Das Hofgut Oberfeld ist ein weitgehend arrondierter landwirtschaftlicher Gemischt-Betrieb mit anschließender Verarbeitung und Direktvermarktung samt Gastronomie am Hof sowie dem Angebot von Saisongärten.

Auf der Grundlage einer nachhaltigen Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen (115ha Ackerland, 46ha Grünland) werden Rinder und Geflügel gehalten.

Der Betrieb setzt auf wirtschaftliche und stoffliche Kreisläufe und weitgehende Wertschöpfung innerhalb des Betriebes.

Es gibt eine eigene Saatgutvermehrung, das Angebot von Saisongärten für die Bürger vor Ort, eine Hofbäckerei, eine Hofmolkerei, einen Hofladen und ein Hofcafe.

Mit vielseitiger biodynamischer Landwirtschaft wird der Naturraum ökologisch wertvoll gestaltet und es entstehen Lebensmittel voller Lebenskraft. Diese werden mit handwerklichem Können zu einer Vielzahl unverwechselbarer Produkte verarbeitet.

Den ursprünglichen Charakter der Erzeugnisse sichern die Menschen am Hofgut Oberfeld durch liebevollen Umgang sowie transparente und übersichtliche Abläufe.

Das gesamte Handeln erwächst aus den Bedürfnissen des natürlichen und sozialen Umfeldes und strebt nach Zufriedenheit unserer Kunden und Partner.

Auf dem Hofgut werden die Lebensbereiche Wohnen, Arbeiten und Erholung zu einem umfassenden Lebensraum verbunden. Ziel ist es, die Begegnung unterschiedlicher Menschen und eine lebendige Gemeinschaft zu ermöglichen und zu fördern.

Mit der Landwirtschaft, und den direkten Angeboten am Hof und den Saisongärten bieten sich den Menschen, die auf den Hof kommen vielfältige Erfahrungen mit dem Lebendigen und es werden differenzierte Einblicke in die Art dieser Lebensmittelerzeugung ermöglicht.

Durch das verbrauchernahe Betriebskonzept ist das Hofgut Oberfeld innerhalb von nur zehn Jahren ein agrarkulturelles Zentrum geworden, das eine große Anziehungskraft für die Stadtbevölkerung hat. Da die beteiligten Bürgeraktionäre auch in den nächsten Jahren die Betriebsentwicklung mitbestimmen werden, ist garantiert, dass das Gut zukünftig ein spannendes Ziel für Verbraucherinnen und Verbraucher ohne landwirtschaftlichen Hintergrund bleiben wird.

3. FINANZIERUNG UND ZUGANG ZU FÖRDERMITTELN

Seit der Gründung mit 30 AktionärInnen und 280.000 Euro Aktienkapital wurden immer wieder Kapitalerhöhungen für anstehende Investitionen durchgeführt. Mit dem Geld der Aktionäre und Darlehen verschiedener Banken konnte der landwirtschaftliche Betrieb in allen Bereichen neu aufgebaut werden, einschließlich völlig neuer Anbau- und Vermarktungskonzepte. Dazu wurde auch in die Erschließung, ein Nahwärmenetz mit Hackschnitzelheizung und Photovoltaik investiert. Inzwischen weist die HOLAG eine Bilanzsumme von rund 3 Mio. Euro auf und einen Eigenkapitalanteil von rund 60%. Für die landwirtschaflichen Gebäude und die Regenerative Energieerzeugung wurden öffentliche Investitionsförderprogramme in Anspruch genommen.

Es entstand nach und nach aus dem vormals konventionellen Ackerbaubetrieb mit Schwerpunkt Getreideerzeugung ein hoch diversifizierter, ökologisch wirtschaftender Gemischtbetrieb mit verschiedenen Nutztierarten. So wurde zum Beispiel die Milcherzeugung mit 40 Milchkühen teils der Rote-Liste Art Schwarzbuntes-Niederungsrind komplett neu aufgebaut. Alle Kälber bleiben im Betrieb und das Fleisch wird ausschließlich über den Hofladen vermarktet. Außerdem gehören heute etwa 1.250 Legehennen, 250 Mastgänse und 100 Masthähnchen zum Hofgut.

Dabei steht für die Betriebsleitung eine möglichst artgerechte Haltung aller Nutztiere ganz oben an. Beste Beispiele dafür sind eine muttergebundene Kälberhaltung, die 2015 mit dem hessischen Preis für Tierschutz in der Landwirtschaft prämiert wurde. Ein großzügig gestalteter Kuhstall speziell für horntragende Kühe und Natursprung durch die hofeigenen Zuchtbullen gehören auch dazu. Die Legehennen leben in Mobilställen, die einen großzügigen Auslauf an wechselnden Orten ermöglichen.

Die Aktionäre können sich neben ihrer finanziellen Unterstützung auch auf anderem Wege einbringen. In Fragen der Betriebsentwicklung, der Finanzierung, des Controllings oder der Öffentlichkeitsarbeit ist ihre Mitarbeit ausdrücklich erwünscht.

Die Stiftung Hofgut Oberfeld ist das “Dach” der Projekte und Initiativen der im Gesamtprojekt Oberfeld tätigen Kooperationspartner.

Zahlreiche Menschen haben sich mit der Idee solidarisiert, den letzten Bauernhof in der Kernstadt Darmstadt zu retten und das Oberfeld als Offenland und Naherholungsgebiet zu erhalten und durch ökologische Bewirtschaftung aufzuwerten.

Mit der Finanzierung über eine Aktiengesellschaft wurde folgendes erreicht:

  • Beitrag zur Finanzierung des Hofes.
  • Breite Bürgerbeteiligung.
  • Kundenbindung.
  • Weitere Außenwirkung und Aufmerksamkeit.

Jeder der Aktionärinnen und Aktionäre steht für 10.000 m2 Land, in dessen Ackerkrume sich 100 Tonnen Humus befinden, sowie für zwei Obstbäume und drei Saisongärten, zehn Hühner, ein Rind und zwei Gänse.

“Wenn Sie einen ähnlichen Hoforganismus aufbauen wollen, raten wir Ihnen, den Betrieb und das soziale Umfeld und ihre Wechselwirkungen gleichzeitig im Blick zu haben. Viele Entwicklungen, und z.B. kulturelle Initiativen aber auch Knowhow kamen bei uns aus dem Umfeld. Gleichzeitig wurden die Menschen durch den Aufbau des Betriebes „mitgenommen“. Sie haben viel über Landwirtschaft gelernt, sich für sie eingesetzt, haben Anteile am Betrieb übernommen oder sind Kunden geworden, die die wirtschaftliche Basis des laufenden Betriebes bilden. Letztlich liegt der Erfolg in dieser Wechselwirkung von Umfeld und Betrieb.”

“Ein wichtiger Erfolgsfaktor für uns allgemein-betrieblich und auch für die Finanzierung des Vorhabens im Rahmen der Aktiengesellschaft und der Stiftung war, dass wir Schritt für Schritt entwickelt haben. So konnten alle Aktive im Projekt aber auch alle aus dem Umfeld die Entwicklung nachvollziehen, sich kennenlernen und Vertrauen aufbauen, wobei es durchaus auch Krisen während dieser Entwicklung gab.”

4. TRAININGSBEDARF UND SCHLÜSSE

Vorhandenes Wissen und Lücken: Wichtige Kompetenzen:

  • Körperliche und geistige Ausdauer und eine reflektierende Einstellung
  • Verständnis eines ganzheitlichen Hoforganismus
  • Kooperation und Gemeinschaft leben
  • Geduld, Offenheit, Kooperation, Transparenz und Kommunikation sowohl bzgl. des Betriebes als auch seiner wirtschaftlichen Kennzahlen.

Schlussbemerkungen: Kraft, Know-how und langfristige Investitionen sind notwendig um einen vielfältigen biologisch-dynamischen Betrieb mit Verarbeitung und Vermarktung aufzubauen. Um das zu schaffen, gründeten zunächst etwa 30 Bürgerinnen und Bürger mit den Landwirten eine kleine Aktiengesellschaft: aus einer Bürgerinitiative entstand so ein Bürgerunternehmen.

Die Aktionärinnen und Aktionäre brachten nicht nur Eigenkapital ein, sondern auch ihr Wissen aus den verschiedensten Berufen. Inzwischen beteiligen sich etwa 176 Menschen am gemeinsamen Unternehmen, das mit einem Eigenkapitalanteil von rund 60% eine stabile Basis auch für zukünftige Entwicklungen besitzt.

Unsere Aktien sind „vinkulierte Namensaktien“, sie können also nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates verkauft werden, und der jeweilige Besitzer ist immer bekannt. Einmal im Jahr wird in der Hauptversammlung der Aktionäre der Jahresabschluss vorgestellt; sie beschließt über die Verwendung des Gewinns, über Satzungsänderungen und wählt alle drei Jahre einen Aufsichtsrat. Dieser setzt wiederum den Vorstand für jeweils fünf Jahre ein. Der Vorstand leitet das Unternehmen und stimmt langfristige Entscheidungen und große Investitionen mit dem Aufsichtsrat ab.

Grundlage dafür, mit einem Hofkonzept mehr als 100 Menschen zu erreichen und zu überzeugen ist ein hoher Qualitätsanspruch im Umgang mit Mensch, Natur und Tier sowie große Transparenz nach außen und Freude in Kommunikation und Kundenbeziehung.

Am Hofgut Oberfeld wird der Austausch mit Kunden und Kollegen gesucht, es werden neue Lösungen entwickelt und Erfahrungen mit Freude weitergegeben.

Durch die Art der biodynamischen Landwirtschaft wird das Hofgut Oberfeld zu einem ganzheitlichen Betriebsorganismus entwickelt, an dem man Heimat erfahren und Lebenskraft schöpfen kann. Durch Veranstaltungen rund um die Landwirtschaft ist bunte und lebendige Agrarkultur erlebbar.

Die Kultur dieser Gemeinschaft ermöglicht Identifikation, Eigenverantwortung, Kreativität und Entwicklung des einzelnen Menschen und des Betriebes.

Alle wichtigen und langfristigen Vereinbarungen zwischen der HOLAG und der SHO oder anderen Verpächtern sind in ordentlichen Verträgen niedergelegt, was aufwendig ist bis zur Klärung aller Fragen und bis zur Einigung über strittige Punkte. Danach führt die Klarheit aber zu Handlungsspielraum und Planungssicherheit und damit einer guten Basis für größere Entwicklungsschritte wie Baumaßnahmen und Eröffnung neuer Betriebsbereiche.

Die Organisationsform als AG erfordert einige Verwaltung und viel Transparenz, was sich pauschal sicher erst bei einer gewissen Größe/Finanzrahmen oder Komplexität „lohnt“. Die AG ist insbesondere geeignet zur Einbeziehung von vielen Teilhabern oder zur Vernetzung mit Partnern. Die rechtlich geforderte Transparenz führt gleichzeitig intern zu Vertrauen und Klarheit.